Die Stadt der Zukunft

Hoher Besuch aus Berlin in Winterthur zu einem zeitlos aktuellen Thema: wie sieht die Stadt der Zukunft aus? Welche Bedürfnisse muss sie abdecken, welche nicht? Wie und wofür wird der knappe und teure Boden eingesetzt? Welche gesetzlichen Rahmenbedingungen und Freiheiten werden festgelegt? Wer wird in Planungen einbezogen?

In ihrem Vortrag hat die ehemalige Senatsbaudirektorin (2007–21) Regula Lüscher viele spannende Antworten auf genau diese Fragen geliefert. Die in Basel geborene Architektin, die in ihrer Karriere auch als Leiterin der Stadtentwicklung in Zürich amtete, hat in Berlin starke Spuren hinterlassen, und auch polarisiert – alles Andere wäre in diesem Amt auch erstaunlich. Flächenmässig ist Berlin zwar „nur“ 13-mal grösser als Winterthur, wird aber von 30-mal so vielen Menschen bewohnt, nämlich über 3.5 Mio. Menschen.

 

Trotzdem gibt es erstaunlich viele Parallelen in der Entwicklung der beiden Städte: Da der Platz beschränkt ist, wird bei Um- und Neubauten stets eine Verdichtung des Wohnraumes angestrebt. Die Umnutzung von Industriearealen hat in beiden Städten mittlerweile Tradition – das Urteil von Regula Lüscher zur Lokstadt war recht positiv, bemängelt hat sie jedoch den vergleichsweisen tiefen Anteil von gefördertem Wohnbau (wie das in Deutschland heisst) sowie von Grünflächen. Das ist insofern erstaunlich, als der Anteil von genossenschaftlichem Wohnbau in der Lokstadt mit 30% für Winterthurer Verhältnisse aussergewöhnlich hoch ist. Die Relevanz von unversiegelten Flächen wurde betont – ein Anliegen, das in unserer kleinen Stadt aktuell unter dem Stichwort „Hitzekorridore“ besprochen wird. Auch hat sich Berlin zu einem Kompetenzcluster in Holzbau entwickelt – eine Aufgabe, die in Winterthur eher die Implenia übernimmt.

 

Womit vielleicht schon der grösste Unterschied in den Gestaltungs-Möglichkeiten der Behörden festgehalten ist: Das „arm, aber sexy“-Berlin investiert und gestaltet Wohnraum, wovon wir in Winterthur nur träumen können. Und während hierzulande das Verbandsbeschwerderecht jedes grössere Bauvorhaben in die Länge zieht, gibt es in Berlin kaum ein grösseres Projekt, bei dem die Quartier-Anwohnenden und weitere Stakeholder nicht intensiv in der Planungsphase mittels Workshops, Infoveranstaltungen etc. einbezogen werden… Und auch wenn diese Prozesse aufwändig sind, führt nach Lüscher kein Weg daran vorbei – auch weil sie schlicht zu besseren Resultaten führen.

 

Auf Einladung der SP Winterthur fand sich ein erstaunlich zahlreiches Publikum in der Spenglerei ein, das auch der nachfolgenden Gesprächsrunde mit Christa Meier und unserem Stadtpräsidiums-Kandidaten Kaspar Bopp interessiert folgte. Der selbstbewusste Umgang von Regula Lüscher mit diesen zentralen Fragen jeder Stadt hat das gesamte Publikum beeindruckt. Umso schöner war es zu sehen, dass auch unsere „Stadtbaumeisterin“ Christa auf pragmatische Winterthurer Lösungen und Pläne verweisen konnte, die im anschliessenden Apéro dann vertieft und durchaus kontrovers diskutiert wurden. Ein in jeder Hinsicht inspirierender Abend. Danke an das Vorbereitungsteam um Matthias Erzinger und Katja Hager!